Dienstag, 15. Oktober 2024

Die Tupperparty mit Mann

Letzte Woche komme ich mal etwas früher von der Arbeit („Überraschung, Schatz!“), und was finde ich vor? Eine Gruppe von Mitdreißigerinnen hockt in meinem Wohnzimmer, leider alle angezogen, meine Herzdame mitten unter ihnen, und sie haben einen Halbkreis um eine Mitdreißigerin gezogen, die neben sich ein Körbchen mit Plastikartikeln stehen hat. Jede der Damen hat eine Kaffeetasse unseres besten Geschirrs vor sich stehen, dazu unsere schweineteuren „Rosso-Bianco“-Gläser, sie knabbern MEINE Salzstängelchen und futtern MEINE Süßigkeiten und haben ob meines Eintretens einen erschrocken – gequälten Gesichtsausdruck.
Bis meine Frau die Worte als erstes findet: „Hallo Schatz, das ist Frau Mesenkamp (sie deutet auf die Lady mit den Plastikteilen), wir machen heute unsere „Tupper“-Party.“

Ahja. Party. Ohne mich. Tupper. Verstehe. „Hallo, Frau Mesenkamp“, grinse ich die etwas verlegene Dame an. „Schön, sie kennen zu lernen. Darf ich mich dazu setzen?“

Alle Mädels öffnen den Mund, um „Nein“ zu sagen, aber ich bin schneller und sitze am Tisch, bevor eines der anwesenden Hühner reagieren kann.

„Na, dann mal los!“, ermuntere ich Frau Mesenkamp. Die hat einen verlegenen Gesichtsausdruck, lächelt schamhaft und gibt jeder der anwesenden Hauskauffrauen ein Plastikschüsselchen mit Deckel. Ich kriege auch eines und stelle es vor mich hin.

„Das ist zum Frischhalten von Lebensmitteln“ erklärt Frau Mesenkamp bei der Ausgabe. „Alles, was sie da rein füllen, wird bei Druck auf den Deckel luftdicht verschlossen. So können sie Hühnersalat bis zu einer Woche frisch aufbewahren.“

„Oh, ah, ja“, echot die Damenriege und macht die Deckelchen auf die Schüsselchen, und im Nu ist die Luft erfüllt mit poppenden Geräuschen, als die hühnersalatleeren Plastikteilchen verschlossen und wieder geöffnet, wieder verschlossen und wieder geöffnet werden. Ich lasse meine Hühnersalatschüssel zu und trommle ein wenig auf dem Deckel herum. Die Sitzgruppe hingegen kann nicht genug vom Schüsselchen auf und zumachen bekommen.

„Praktisch“, meint meine Frau.

„Oh, ja“, gibt ihr Frau Mesenkamp Recht. „Tupperware ist die erste Firma, die diesen luftdichten Verschluss entwickelt hat und ist heute noch Marktführer auf dem Segment.“

Nun, bisher habe ich in noch keiner Börsenzeitschrift Kursnotierungen zum Segment „luftdichte Essensaufbewahrungsplastikschälchen“ gefunden, aber ich will ja Frau Mesenkamp nicht widersprechen.

„Guck mal, Schatz“, jubelt meine Frau. „Praktisch, oder?“

„Sie können Ihrem Mann da auch Essen ins Büro mitgeben“, springt Frau Mesenkamp bei, die wohl ahnt, was jetzt kommt. Vorsichtshalber setzt sie noch ein „Mein Mann macht das immer so“ hinzu.

„Man kann gut darauf trommeln“, grinse ich sardonisch, „aber der Tag, an dem du mir einen eine Woche alten Hühnersalat mit ins Büro gibst, wird der Tag unserer Scheidung sein.“ Ich wende mich Frau Mesenkamp zu: „Was soll dieses Wunderwerk malaysischer Spitzenkonservierungstechnologie denn kosten?“

Das Poppen mit den Deckelchen hat aufgehört. Die Damen schauen mich teils fragend, teils feindselig an. Preisfragen stellen. Bei so einem Spitzenprodukt. Wie kann ich nur?

Frau Mesenkamp, die meine Frage irrtümlich als Kaufsignal wertet, strahlt mich an wie ein Christbaum „Bei Abnahme von 10 Stück kostet Sie eine Schüssel gerade mal 2 Euro.“

Wie? 2 Euro, damit ich von einem eine Woche alten Hühnersalat keinen Durchfall kriege? Ich wiege die lauernd wartende Mesenkamp in Sicherheit: „Wie viel kostet eine Schüssel, wenn ich Ihnen 20 Stück abnehme?“

„Oh“, sagt das Mesenkamp, „da muss ich nachschauen.“

„Tun sie das.“

Und während die Herrin der Schüsselchen nach ihrer Rabattliste kramt, starren die Mammis ihre Gastgeberin mit einer Mischung aus Häme und Verachtung an. 20 Schüsselchen. Meine Frau blitzt mich zornig an und tritt mir unter dem Tisch ans Schienbein. Aber jetzt gibt es kein Zurück.

„Na ja, Schatz, so oft, wie ich Reste essen muss…“ Hinten kichert die Mutter des besten Freundes meines Sohnes und meine Gattin wechselt die Gesichtsfarbe.

„Eineurofünfundsiebzig“ piepst Frau Mesenkamp aus der Kreismitte, aber jetzt geht es nicht mehr um den Preis. Jetzt geht es um das Prestige meiner Lebenspartnerin als treusorgende Ehefrau.

„Wann hast du je Reste essen müssen?“, zischt sie.

„Wann hat es bei uns je Hühnersalat gegeben? Du kannst doch gar keinen machen“, gebe ich trotzig zurück und beschließe, die Situation weiter eskalieren zu lassen mit dem Satz, den jede Ehefrau nach „Ich muss dir etwas gestehen“ am meisten hasst: „Meine Mutter, die konnte Hühnersalat machen, der war immer klasse.“

„Willst du damit sagen, dass dir mein Essen nicht schmeckt?“ Erneuter Gesichtsfarbwechsel.

„Na ja, bei Dosenravioli kann man ja nicht viel falsch machen“, schlage ich zurück.

Allgemeines, verhaltenes Kichern in der Runde. Nur Frau Mesenkamp schweigt und überlegt sich, wie sie die Situation entschärfen und ihre Töpfchen doch noch an Mann und Frau bringen könnte. Aber sie braucht zu lange!

„Mein lieber Mann“, die schneidende Stimme meint dabei das Gegenteil von „lieber Mann“, „ich rackere mich von früh bis spät ab und mache jedes Essen frisch, und das weißt du auch!“

„Und warum willst du dann Tuppertöpfchen zum Frischhalten kaufen? Du widersprichst dir doch selbst, merkst du das nicht?“

Frau Mesenkamp hat gespannt, wohin das führt. Nix mit Töpfchenverkauf in der Damenrunde. Schließlich will sich keine als Resteverwerterin outen. Sie startet einen letzten Versuch mit „man kann in den Schalen ja auch Kuchenteig anrühren“, aber ich blocke mit „Meine Frau kann nur eines noch weniger gut als Hühnersalat und das ist Kuchenbacken.“

Das war’s. Meine Frau springt auf, heult, knallt zuerst mir eine und dann die Zimmertüre zu und ist weg. In die peinliche Stille geben die anwesenden Ladys, die mich mittlerweile für das größte Chauvischwein der Welt halten, ihre Töpfchen Frau Mesenkamp zurück, diese sackt flugs wie ein Eichhörnchen ihren Ramsch ein, alles verabschiedet sich mehr oder weniger murmelnd von mir, weil alle noch gaaaanz wichtige Termine haben, ziehen im Gänsemarsch zur Tür und weg sind sie. Frau Mesenkamp und ihre Partygirls.

Und ich klopfe mir auf die Schulter. Nichts bei Tupper gekauft!